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Komm, ich zeig dir, dass Frau Holle keine Märchen-Oma ist

Frau Holle lässt Goldmarie (mit dunklem Haar!) durch das Tor und es fallen Goldtaler auf sie herab.

Zugegeben habe ich die Artikel in der Frau Holle-Kategorie am Meisten für mich selbst geschrieben. Heute veröffentliche ich den allerersten Teil. Und so gerne möchte ich dich an die Hand nehmen und dir ein bisschen Frau Holle zeigen. Da wo sie war, ist und immer sein wird. Und ganz vielleicht schaffe ich es, dich ein wenig für die alte Göttin zu begeistern, die nichts anderes ist als unsere Mutter Natur.

In den letzten Jahren zieht es mich ganz regelmäßig in die Ursprungsgegend der Holle, dem Hohen Meißner. Als Nordhessin glücklicherweise nur ein Katzensprung entfernt. Und schon als Kind saß ich oben auf der Kalbe und habe meine Stulle gegessen, während ich auf das Land hinunter blickte. In den Ohren das Märchen und die Sagen rund um die Holle, die mir meine Klassenlehrerin währenddessen erzählte.

Damals war es mir noch gar nicht so bewusst, aber die Holle ist in Nordhessen immer noch spürbar. Im Volksglauben, in den Mythen und Sagen. So bin ich zum Beispiel unweit der Wichtellöcher am Dosenberg aufgewachsen, in dem die “Wichtelmännerchen”, also die Hollen, hausten. Ich bin damit groß geworden, dass die Holle ihre Betten schüttelt, wenn es schneit. Dass sie ihre Schafe austreibt, wenn Schäfchenwolken am Himmel stehen. Oder wenn die Sonne in einem leuchtenden Rot am Horizont verschwindet, sie gerade Brot oder Plätzchen backt. Also komm, ich zeige dir Frau Holle, wenn du möchtest.

Das Märchen und die Holle

Vor langer langer Zeit war da eine mythische Gestalt namens Frau Holle. Überall auf der Welt kennt man sie als Protagonistin im gleichnamigen deutschen Volksmärchen. Dieses Märchen beschreibt die Geschichte zweier Mädchen, das eine fleißig, das andere faul, die getrennt voneinander auf die gleiche Reise gehen und in ihrer Reife geprüft werden. Ein Mädchen ist dabei absolut erfolgreich, das andere ist es nicht. Frau Holle spielt die Rolle einer Richterin, aber kann genauso als Mutterfigur gesehen werden. Sie ist es, die zwischen guten und bösen Taten unterscheidet und bestimmt welche Konsequenzen, also Strafen oder Belohnungen, angemessen sind.

Frau Holle existierte bereits weit vor dem Märchen der Gebrüder Grimm (1812). Sie ist eine altgermanische Muttergöttin, als Magna Mater bezeichnet und wesensgleich oder identisch mit Freya, Frigg, Diana, Hel, Hludana und Artemis. Als Wächterin über das Wetter lässt sie es regnen oder schneien. Geweiht sind ihr vor Allem Flüsse, Seen und Quellen. Als Hüterin der Schwellen steht sie für Licht und Dunkel, Leben und Tod, zugleich. Sie nährt und spendet Leben, hat aber gleichzeitig eine zerstörende Kraft. Auch Heim, Herd und Hof spielen eine große Rolle.

Im Holle-Märchen finden sich einige Symbole, die diese Aspekte aufgreifen. Der Brunnen beispielsweise ist die Schwelle zum Reich der Holle. Es ist gleichzeitig das Totenreich, wo sie über verstorbenes und ungeborenes Leben wacht. Das Ausschütteln der Kissen bringt Schnee über das gesamte Land und zeigt, dass Frau Holle für das Wetter verantwortlich ist. Die Spindel ist ebenfalls ein sehr bekanntes Symbol. Das Blut der Goldmarie auf der Spindel könnte als erste Blutung und somit als Eintritt ins Erwachsensein interpretiert werden.

Ansprechend finde ich, wie das Märchen den Jahreszyklus aufgreift oder man diesen zumindest hineindeuten kann. Die Goldmarie fällt aus dem Brunnen auf eine Frühlingswiese voller bunter und reich duftender Blumen. Als sie weiter geht, kommt sie an einen Ofen, in dem Brote aus Sommergetreide backen. Kurz danach gelangt sie zu den Apfelbäumen, die, wie im Herbst üblich, geerntet werden wollen. Und am Ende hilft sie der Frau Holle dabei es im Winter schneien zu lassen.

Die Märchen-Version der Gebrüder Grimm war zur damaligen Zeit sicherlich ein geeignetes Lehrstück, um jungen Frauen und Mädchen einzutrichtern, dass Fleiß und Gehorsam wichtige Tugenden seien. Andere Versionen des Märchens lassen mehr Interpretationsspielraum für diese ungewöhnliche Coming-of-Age Geschichte.

Das Märchen “Frau Holle” ist eines der wenigen sehr bekannten Märchen, in dem nur Frauen vorkommen und das Happy End im Original nicht darin besteht einen Prinzen zu heiraten. Tatsächlich lassen sich in anderen bekannten Märchen ebenfalls Gestalten finden, die einen Aspekt der Holle darstellen. Beispielsweise die 13. Fee aus dem Märchen Dornröschen, die im Turm am Spinnrad sitzt.

Holles Ursprung

Der älteste Beleg stammt aus den Dekreten des Bischofs Burchard von Worms (1008):

“Du hast geglaubt, dass es ein weibliches Wesen gibt, das vom Volk in seiner Dummheit Hulda genannt wird und das tun kann, was einige Frauen behaupten, die vom Teufel verführt sind: Sie müsste nämlich notwendig und auf Grund einer Vorschrift in gewissen Nächten mit einer Schar von Dämonen in Frauengestalt auf irgendwelchen Tieren reiten und gehört zu deren Gesellschaft.”

Der Ursprung der Holle als große Muttergöttin scheint jedoch weitaus älter und sich in der Jungsteinzeit verorten zu lassen. Siehe hierzu zum Beispiel die Themenbroschüre des Naturparks “Frau-Holle-Land” zu Frau Holle.

Eine super Dokumentation zur Göttin Holle hat die Sendung Terra X im Jahr 2020 veröffentlicht. Derzeit ist sie kostenfrei auf YouTube zu sehen.

Bild: Titelbild des Buches „Sagen und Märchen von der Frau Holle“ gesammelt und erzählt von E. Junghans und F. Gurtis, gemalt von Wilhelm Stumpf, Holbein-Verlag, Stuttgart 1912, gemeinfrei

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