Inhaltshinweis: Du wirst Themen wie Medical Gaslighting, Unfruchtbarkeit, Fehlgeburt und Kinderwunsch, sowie Kinderlosigkeit begegnen. Jedoch werde ich nicht auf alles davon ausführlich eingehen. Falls du vermutest dir könnte der nachfolgende Text mental nicht gut tun, höre auf dein Gefühl und verzichte lieber darauf ihn zu lesen.
In diesem Artikel geht es um meine private Geschichte. Ich werde ganz offen erzählen, mit dem Wissen, dass ich mit meiner Diagnose alles Andere als alleine bin und mir Erfahrungsberichte von anderen Betroffenen damals sehr geholfen haben.
Zusätzlich zu diesem Artikel habe ich einen weiteren veröffentlicht, in dem es darum geht was Endometriose überhaupt ist, was für Therapie-Möglichkeiten existieren und was die Phytotherapie potentiell ausrichten kann. Unten im verlinkten Artikel sind außerdem noch Infografiken (inklusive Bullshit Bingo) rund um das Thema zu finden. Siehe Endometriose in der Phytotherapie
21 Jahre bis zur Diagnose
Es brauchte 21 Jahre und fünf Gynäkologinnen bis ich meine Diagnose Endometriose bekam. Vermutlich wütete es bereits in mir, als ich mit zwölf Jahren meine erste Periode hatte. Ich hatte von Anfang an sehr starke Schmerzen, weswegen ich in der Schule und besonders im Sportunterricht überdurchschnittlich häufig ausfiel. Meine erste Gynäkologin winkte die Beschwerden als normal ab.
Die Pille
Mit 17 Jahren nahm ich das erste Mal die Anti-Baby-Pille. Die Antwort auf alle Beschwerden und Nöte, laut meiner damaligen Ärztin. Außerdem mache sie ja die Haut schön.
Bis etwa 2010, als ich mich entschied die Hormoneinnahme zu beenden, da ich mich mit den Nebenwirkungen nicht mehr wohl fühlte. In der Zwischenzeit hatte ich bereits verschiedene Hormonpräparate und Gynäkologinnen durch und nahm bis zum Absetzen in 2010 die Pille im Dauerzyklus. Zwar hatte ich dann wieder meine Menstruation, fühlte mich aber insgesamt, zumindest für eine kleine Weile, besser.
Ich entwickelte nach und nach immer mehr Symptome, neben den Menstruationsschmerzen. Reizdarm, Blasenkrämpfe, Nesselsucht, Unverträglichkeiten, Rückenschmerzen, Endo-Belly (auch wenn ich damals noch nicht wusste was das ist),… und vieles mehr.
Endo – was?!
Zu der Zeit schrieb ich auf meinem Vegan Beauty Blog immer mal wieder über Menstruation. Mein Zyklus war eigentlich permanent Thema für mich. Ich war schließlich deshalb eine Woche im Monat komplett ausgeschaltet. Jedenfalls erhielt ich über den Blog viele Nachrichten von Menschen, die ähnliches erlebten und manchmal sprach man mich auch direkt auf Endometriose an. Endo – was?! Hab ich nur gedacht. Ich hörte das erste Mal davon und recherchierte direkt los. Einerseits hielt ich es für absolut möglich, aber andererseits war ich auch der Auffassung, dass meine Gynäkologin doch sicher irgendwas gesagt hätte, wenn da irgendein Verdacht bestünde. Immerhin wusste sie doch von meinen starken Schmerzen.
Es war meine dritte Gynäkologin. Ich sprach sie dieses Mal direkt auf Endometriose an. Und oh boy hat mich das Überwindung gekostet!
„Ich ähm habe wirklich sehr starke Schmerzen bei der Periode. So sehr, dass ich zwei, drei Tage nur im Bett liegen kann und die meisten Schmerzmittel helfen nicht mehr. Ähm… könnte das vielleicht Endometriose sein?!“
Sie schmetterte das Thema direkt ab und sagte, dass Menstruationsschmerzen doch ganz normal seien (Klassiker!). Ich solle es mit einer Wärmflasche und Sport versuchen (noch so ein Klassiker!). Ja gut. Ich hakte das Thema Endometriose also erstmal für mich ab, denn offensichtlich war ich einfach nur zu empfindlich und stellte mich an. Und die Ärztin hätte doch was gesagt, wenn ein Verdacht bestünde, oder nicht?!
Nach dem erneuten Medical Gaslighting habe ich mich also dementsprechend fortan selbst gegaslightet. Und bin ein paar Jahre gar nicht mehr zur Gynäkologin gegangen.
Kinder bekommen ist ganz einfach, das macht schließlich jeder!
Irgendwann, kurz nach meinem 30. Lebensjahr, beschlossen Henrik und ich Eltern werden zu wollen. Am Anfang hatten wir gar keinen Gedanken daran verschwendet, dass es nicht sofort klappen könnte. Denn überall wurde uns suggeriert, dass das das einfachste auf der Welt sei. Easy peasy. Alle machen es. Das ist total natürlich. Jeder kann es. Und ist ja auch irgendwie der Sinn des Lebens oder? (Spoiler: Ist es nicht. Zumindest für uns nicht.)
Nach etwa einem Jahr wurde ich dann tatsächlich schwanger. Für ganz kurze Zeit waren Henrik und ich mit unserem Geheimnis die glücklichsten Menschen der Welt. Bis etwas geschah, was einem vorher irgendwie keiner sagt. Statistisch gesehen sind Fehlgeburten gar nicht selten. Aber das wussten wir nicht. Und wir hatten noch nie darüber nachgedacht.
Bis es uns traf.
Und nochmal traf. Mit 32 Jahren hatte ich die zweite Fehlgeburt.
Heute versuche ich das so rational wie möglich zu betrachten und mir die positiven Dinge zu der Zeit hervorzuholen. Zum Beispiel hatte ich nur durch die erste Fehlgeburt die Möglichkeit bekommen Patientin bei meiner heutigen Gynäkologin zu werden.
Wieso willst du keine Kinder?
Das Schwangerwerden und Schwangerbleiben wollte einfach nicht klappen. Die Nachfragen von Bekannten oder gar von Fremden über’s Internet haben geschmerzt. Es wusste Niemand, bis auf unsere engsten Freund*innen und ein kleiner Teil der Familie, was los war. Aber trotzdem war das Thema Kinderkriegen überall. Und wir, das kinderlose Paar, das Fragen und Bemerkungen über sich ergehen lassen muss.
„Tick Tack, eure Zeit läuft.“
„Wann ist es denn bei euch endlich so weit? Ihr seid doch schon so lange zusammen.“
Eine Begegnung blieb mir besonders schmerzvoll im Gedächtnis hängen. Auf einer Feier mit vielen Menschen und vor Allem Kindern, sprach mich ein Bekannter an:
„Henrik spielt und tobt so gerne mit den Kids. Warum willst du denn keine Kinder?“
Ich fiel aus allen Wolken. Eine Reaktion meinerseits war nicht möglich. Meine Festplatte war wie leer gefegt. Mein autistisches Hirn war auf so eine spontane und tief treffende Frage kein Stück vorbereitet. Hinterher ratterte es. Wieso denkt die Person, dass ich „Schuld“ daran bin, dass wir kein Kind haben. Wieso geht sie davon aus, dass ich keine Kinder will, Henrik aber schon. Diese Frage war so übergriffig, da ist es nicht mal relevant ob ich Kinder möchte oder nicht.
Seit diesem Tag hielt ich die Präsenz von kleinen Kindern nur noch schlechter aus. Babys zu sehen oder Schwangerschaftsverkündungen zu erleben, machte mich manchmal richtig wütend, to be honest.
Die Schmerzen wurden unerträglich
Spulen wir mal in das Jahr 2021. Genauer zum April 2021. Meine gesundheitlichen Beschwerden waren noch nie so schlimm wie zu der Zeit. Ich hatte meinen ersten Quaddelschub und das gleich über 1 1/2 Monate am Stück. Ich vertrug nicht mehr alles an Essen. Der Endo-Belly und die Blasenkrämpfe waren unerträglich.
Im April brach ich dann mit enormen Unterleibsschmerzen zusammen. Ich hatte meine Menstruation bekommen. Kein Schmerzmittel half. Selbst mein TENS-Gerät konnte nicht mehr viel ausrichten. Henrik war kurz davor den Krankenwagen zu rufen, aber stattdessen konnte ich als Notfall zur Vertretung meiner Gynäkologin gehen. Henrik schleppte mich da irgendwie bis vor die Tür, aber aufgrund der Corona-Maßnahmen musste ich alleine in die Praxis. Ich habe keine Ahnung wie ich diesen Weg bis da hin überhaupt bewältigt habe.
In der Praxis weinte ich durchgehend vor Schmerzen und versuchte irgendwie gerade Sätze heraus zu bekommen. Die Vertretungsärztin (also meine Gynäkologin Nummer 4 die ich auf Menstruationsschmerzen ansprach) stellte mir erstmal die richtigen Fragen. Zu meinen Schmerzen und zu anderen Symptomen. In der Akte sah sie, dass ich einen unerfüllten Kinderwunsch hatte, aber sie wollte vorerst nur wissen, ob das noch aktuell ist.
Es ist Ihre Psyche
Sie bat mich zum vaginalen Ultraschall und entdeckte ganz schnell eine Zyste am rechten Eierstock. Sie zeigte sie mir. Und es ergab alles so Sinn. Ich konnte die Zyste damals schon manchmal spüren, weil sie hin und wieder zwickte und einseitige Schmerzen bereitete.
Mir war sofort klar, dass das der Auslöser meiner starken Schmerzen ist und bestimmt auch andere Beschwerden aus letzter Zeit damit zusammen hingen. Die Ärztin schaute mich mitleidig an. Und sagte dann allen Ernstes:
„Sie sind sehr traurig, weil sie wieder nicht schwanger geworden sind oder? Die Schmerzen sind bestimmt durch ihre Psyche so stark.“
Es gibt so Sätze die brennen sich für immer in das Gehirn ein. Dieser war einer davon. Wieder konnte ich nicht so reagieren wie ich eigentlich wollte, denn ich stand immer noch unter Schmerzen und ich war alles Andere als auf diese Situation und diese Bemerkungen vorbereitet.
Also… zusammengefasst: Sie wusste, wie stark meine Schmerzen sind. Sie wusste, dass seit 3 1/2 Jahren ein unerfüllter Kinderwunsch bestand und sie sah die Zyste klar und deutlich auf ihrem Monitor. Aber es ist natürlich nur meine psychische Verfassung. Geweint habe ich dann wahrscheinlich, weil ich einfach hysterisch bin. (/Ironie)
Ich fand mich also wieder mit der Situation ab.
Endo – ja!
Im Juni 2021 hatte ich allerdings meine erste normale Vorsorgeuntersuchung bei meiner neuen eigentlichen Gynäkologin, die mich bereits bei den Fehlgeburten betreute. Diese Frau hat mein Leben komplett verändert.
Sie hatte direkt nach meinen Beschwerden gefragt, weil sie in der Akte das von der Zyste gelesen hatte. Sie hörte sich alles an was ich zu sagen hatte. Sie stellte genau die richtigen Fragen. Sie wandte die Schmerzscala an. Und sie untersuchte die Zyste im vaginalen Ultraschall nochmal ganz genau.
Sie bat mich darum, dass wir uns jetzt nochmal zusammen hinsetzen und sprechen.
„Frau Erbse, haben Sie schon mal etwas von Endometriose gehört?“
Dieses Mal weinte ich vor Freude!
Ich habe eine chronische Erkrankung. Ich habe mich nicht all die 21 Jahre lang nur „angestellt“. Ich habe eine Schokoladen-Zyste am rechten Eierstock. Und sie hat das sofort erkannt. Was für eine hervorragende, grandiose, gescheite Ärztin, dachte ich! Und in meiner Überschwänglichkeit habe ich ihr direkt gesagt, dass ich ihr unendlich dankbar bin und sie toll ist.
Stracciatella, Engel und irgendwas mit Hühnern
Dann ging alles ganz schnell. Am 05. Juli 2021 hatte ich meine Bauchspiegelung zur Diagnosesicherung. Dazu wurde noch eine Gebärmutterspiegelung und eine Eileiterdurchlässigkeitsprüfung gemacht.
Das war meine erste Operation überhaupt. Dementsprechend war ich sehr nervös und ängstlich. Viele Tage zuvor schaute ich mir alles an, was ich über Bauchspiegelungen und Narkosen finden konnte, um Bescheid zu wissen und mich damit zu beruhigen.
Die Operation lief ambulant in einer gynäkologischen Tagesklinik ab. Alle waren sehr nett zu mir und insgesamt ging alles super schnell. Ich weiß noch, dass ich dachte, dass es im OP-Saal wie im Schwimmbad riecht, als ich auf den Stuhl klettern musste.
Mein Blick fiel auf die Decke über mir. Es war ein riesiges Gemälde mit Engeln im Himmel zu sehen. Mit dem Gedanken, dass ich das sehr makaber und dadurch mega lustig finde, schlief ich ein.
Als ich aufwachte, wackelte ich mit zwei fachmedizinischen Pflegenden links und rechts in Richtung des Aufwachraums. Ich war sehr schnell fit, aber auch ein bisschen high von den Medikamenten.
Im Aufwachraum war noch eine andere Patientin mit der ich mich unterhielt. Normalerweise bin ich zurückhaltender, aber ich war wohl wirklich high. Sie erzählte mir davon, dass sie eine Vermietung für Hühner hat. Miethuhn oder so. Draußen für den eigenen Garten.
Und dann kam auch schon die Ärztin, die mich operierte, ins Zimmer.
Sie erklärte mir den Befund und händigte den OP-Bericht aus. Auch Fotos konnte ich sehen. Die dunklen Punkte überall in meinem Inneren sahen für mich aus wie Stracciatella-Eis. Die Endometriose sitzt nicht nur als Zyste am Eierstock, sondern auch auf der Blase, auf der Gebärmutter und im Douglas-Raum zwischen Gebärmutter und Darm. Das ist zumindest der Stand von damals. Wie es heute in mir aussieht, weiß ich nicht genau.
Zuhause plagten mich Übelkeit und Schulterschmerzen von der Operation. Ich blutete reichlich. Und hatte nicht schlecht gestaunt, als ich blauen Urin absetzte, was aufgrund der Eileiterdurchlässigkeitsprüfung geschah. Aber ich war so erleichtert und glücklich! Endometriose. Es ist Endometriose!
Zurück zur Pille
Als ich die OP-Nachsorge bei meiner Gynäkologin hatte, besprachen wir das weitere Vorgehen. Die Ärztin in der Tagesklinik schlug vor, dass ich eine große Operation im Krankenhaus anstreben sollte, damit alles entfernt werden kann. Doch meine Gynäkologin wollte es erstmal auf schonendere Weise versuchen und das fühlte sich für mich ganz richtig an. Ich bekam von ihr Dienogest (ein Gestagen) aufgeschrieben, das ich jeden Tag genau zur selben Uhrzeit einnehmen sollte. Es hält den Östrogen-Spiegel niedrig, da es dem Körper eine Schwangerschaft vorgaukelt. Ich bekam also meine Menstruation gar nicht mehr und musste mich „nur noch“ mit den anderen Beschwerden, die sich derweil chronifiziert hatten, rumschlagen.
Doch da war ja der Kinderwunsch
Eine ganze Weile nahm ich Dienogest bis Henrik und ich uns Anfang 2022 bei einer Kinderwunsch-Klinik anmeldeten. Denn da war ja noch was. Wir wollten es zumindest versuchen. Während der Behandlungen wurde regelmäßig meine Schokoladen-Zyste geschallt, weswegen ich sehen konnte, dass sie durch die Dienogest-Therapie tatsächlich um ~1 cm kleiner geschrumpft ist. Das war sehr beruhigend zu wissen und gibt mir Vertrauen, dass meine Endometriose auf Hormonbehandlungen anspringt. Sie ist zwar nicht heilbar, aber zumindest zum Teil behandelbar.
Ja. Die Kinderwunsch-Behandlung. Vielleicht bin ich einfach nicht für solche Dinge gemacht. Es war unglaublicher Stress für mich. Obwohl wir gerade mal die Standardbehandlung ausschöpften. Also mit Medikamenten „nachhalfen“. Ich nahm jeden Tag mehrere Tabletten, Spritzen, Zäpfchen… im Kühlschrank war ein eigenes Fach nur für diese Medikamente. Fast wöchentlich musste ich über viele Monate in die Klinik. Meine Endometriose-Beschwerden wurden immer schlimmer und vielfältiger.
Bis ich mich im Dezember 2022 morgens vor dem nächsten Klinik-Termin zu Henrik drehte, weinte, und sagte, dass ich nicht mehr kann.
Die Perspektive ändern
Jetzt ist Ende September 2023. Und wir sind und bleiben kinderlos.
Ich hatte Sorge, dass ich diesen bewussten Schritt mental nicht gut verkraften würde. Aber es hat sich nun mehr in das Gegenteil umgeschlagen. Ich sehe es rational. Und ich finde unser Leben ohne Kinder (und dafür nach wie vor mit unseren Katzenkindern) einfach wundervoll. Ich führe mir regelmäßig vor Augen was für Privilegien wir haben, weil wir kinderlos sind.
Wir haben jede Menge Zeit für uns. Für das was wir lieben und gerne tun. Es ist gut so wie es gekommen ist.
Nur den schweren Weg bis zur Diagnose wäre ich lieber nicht gegangen. Die über so lange Zeit unerkannte Erkrankung hat mich unfruchtbar und sehr krank gemacht. Heute bin ich schwerbehindert.
Ich habe so viel Wut in mir. Besonders gerade in diesem Moment, wo ich mir das alles von der Seele schrieb. Mit dem Wissen im Hinterkopf, dass es so viele andere Menschen gibt, die noch nichts von ihrer Erkrankung ahnen, die nicht ernst genommen werden, immer kränker werden und trotzdem von Ärzt*innen und anderen Menschen unglaubliche Sprüche reingedrückt bekommen.
Falls du vermutest auch an Endometriose erkrankt zu sein, versuche all deine Kraft zusammen zu nehmen und hartnäckig zu bleiben, damit du ordentlich untersucht wirst und darauffolgend angemessene Hilfe bekommen kannst.
Ich wünsche dir dabei alles Gute.
Danke für’s Lesen.
♡ Gefällt dir Hollenkraut? ♡ Ich würde mich freuen, wenn du meine Arbeit unterstützen möchtest. Zum Beispiel über eine Spende bei Paypal oder einem symbolischen Kaffee bei Ko-Fi. Vielleicht gefällt dir aber auch etwas aus meinem Online Shop. Vielen Dank von Herzen!
Inhaltshinweis: Du wirst Themen wie Medical Gaslighting, Unfruchtbarkeit, Fehlgeburt und Kinderwunsch, sowie Kinderlosigkeit begegnen. Jedoch werde ich nicht auf alles davon ausführlich eingehen. Falls du vermutest dir könnte der nachfolgende Text mental nicht gut tun, höre auf dein Gefühl und verzichte lieber darauf ihn zu lesen.
In diesem Artikel geht es um meine private Geschichte. Ich werde ganz offen erzählen, mit dem Wissen, dass ich mit meiner Diagnose alles Andere als alleine bin und mir Erfahrungsberichte von anderen Betroffenen damals sehr geholfen haben.
Zusätzlich zu diesem Artikel habe ich einen weiteren veröffentlicht, in dem es darum geht was Endometriose überhaupt ist, was für Therapie-Möglichkeiten existieren und was die Phytotherapie potentiell ausrichten kann. Unten im verlinkten Artikel sind außerdem noch Infografiken (inklusive Bullshit Bingo) rund um das Thema zu finden. Siehe Endometriose in der Phytotherapie
21 Jahre bis zur Diagnose
Es brauchte 21 Jahre und fünf Gynäkologinnen bis ich meine Diagnose Endometriose bekam. Vermutlich wütete es bereits in mir, als ich mit zwölf Jahren meine erste Periode hatte. Ich hatte von Anfang an sehr starke Schmerzen, weswegen ich in der Schule und besonders im Sportunterricht überdurchschnittlich häufig ausfiel. Meine erste Gynäkologin winkte die Beschwerden als normal ab.
Die Pille
Mit 17 Jahren nahm ich das erste Mal die Anti-Baby-Pille. Die Antwort auf alle Beschwerden und Nöte, laut meiner damaligen Ärztin. Außerdem mache sie ja die Haut schön.
Bis etwa 2010, als ich mich entschied die Hormoneinnahme zu beenden, da ich mich mit den Nebenwirkungen nicht mehr wohl fühlte. In der Zwischenzeit hatte ich bereits verschiedene Hormonpräparate und Gynäkologinnen durch und nahm bis zum Absetzen in 2010 die Pille im Dauerzyklus. Zwar hatte ich dann wieder meine Menstruation, fühlte mich aber insgesamt, zumindest für eine kleine Weile, besser.
Ich entwickelte nach und nach immer mehr Symptome, neben den Menstruationsschmerzen. Reizdarm, Blasenkrämpfe, Nesselsucht, Unverträglichkeiten, Rückenschmerzen, Endo-Belly (auch wenn ich damals noch nicht wusste was das ist),… und vieles mehr.
Endo – was?!
Zu der Zeit schrieb ich auf meinem Vegan Beauty Blog immer mal wieder über Menstruation. Mein Zyklus war eigentlich permanent Thema für mich. Ich war schließlich deshalb eine Woche im Monat komplett ausgeschaltet. Jedenfalls erhielt ich über den Blog viele Nachrichten von Menschen, die ähnliches erlebten und manchmal sprach man mich auch direkt auf Endometriose an. Endo – was?! Hab ich nur gedacht. Ich hörte das erste Mal davon und recherchierte direkt los. Einerseits hielt ich es für absolut möglich, aber andererseits war ich auch der Auffassung, dass meine Gynäkologin doch sicher irgendwas gesagt hätte, wenn da irgendein Verdacht bestünde. Immerhin wusste sie doch von meinen starken Schmerzen.
Es war meine dritte Gynäkologin. Ich sprach sie dieses Mal direkt auf Endometriose an. Und oh boy hat mich das Überwindung gekostet!
„Ich ähm habe wirklich sehr starke Schmerzen bei der Periode. So sehr, dass ich zwei, drei Tage nur im Bett liegen kann und die meisten Schmerzmittel helfen nicht mehr. Ähm… könnte das vielleicht Endometriose sein?!“
Sie schmetterte das Thema direkt ab und sagte, dass Menstruationsschmerzen doch ganz normal seien (Klassiker!). Ich solle es mit einer Wärmflasche und Sport versuchen (noch so ein Klassiker!). Ja gut. Ich hakte das Thema Endometriose also erstmal für mich ab, denn offensichtlich war ich einfach nur zu empfindlich und stellte mich an. Und die Ärztin hätte doch was gesagt, wenn ein Verdacht bestünde, oder nicht?!
Nach dem erneuten Medical Gaslighting habe ich mich also dementsprechend fortan selbst gegaslightet. Und bin ein paar Jahre gar nicht mehr zur Gynäkologin gegangen.
Kinder bekommen ist ganz einfach, das macht schließlich jeder!
Irgendwann, kurz nach meinem 30. Lebensjahr, beschlossen Henrik und ich Eltern werden zu wollen. Am Anfang hatten wir gar keinen Gedanken daran verschwendet, dass es nicht sofort klappen könnte. Denn überall wurde uns suggeriert, dass das das einfachste auf der Welt sei. Easy peasy. Alle machen es. Das ist total natürlich. Jeder kann es. Und ist ja auch irgendwie der Sinn des Lebens oder? (Spoiler: Ist es nicht. Zumindest für uns nicht.)
Nach etwa einem Jahr wurde ich dann tatsächlich schwanger. Für ganz kurze Zeit waren Henrik und ich mit unserem Geheimnis die glücklichsten Menschen der Welt. Bis etwas geschah, was einem vorher irgendwie keiner sagt. Statistisch gesehen sind Fehlgeburten gar nicht selten. Aber das wussten wir nicht. Und wir hatten noch nie darüber nachgedacht.
Bis es uns traf.
Und nochmal traf. Mit 32 Jahren hatte ich die zweite Fehlgeburt.
Heute versuche ich das so rational wie möglich zu betrachten und mir die positiven Dinge zu der Zeit hervorzuholen. Zum Beispiel hatte ich nur durch die erste Fehlgeburt die Möglichkeit bekommen Patientin bei meiner heutigen Gynäkologin zu werden.
Wieso willst du keine Kinder?
Das Schwangerwerden und Schwangerbleiben wollte einfach nicht klappen. Die Nachfragen von Bekannten oder gar von Fremden über’s Internet haben geschmerzt. Es wusste Niemand, bis auf unsere engsten Freund*innen und ein kleiner Teil der Familie, was los war. Aber trotzdem war das Thema Kinderkriegen überall. Und wir, das kinderlose Paar, das Fragen und Bemerkungen über sich ergehen lassen muss.
„Tick Tack, eure Zeit läuft.“
„Wann ist es denn bei euch endlich so weit? Ihr seid doch schon so lange zusammen.“
Eine Begegnung blieb mir besonders schmerzvoll im Gedächtnis hängen. Auf einer Feier mit vielen Menschen und vor Allem Kindern, sprach mich ein Bekannter an:
„Henrik spielt und tobt so gerne mit den Kids. Warum willst du denn keine Kinder?“
Ich fiel aus allen Wolken. Eine Reaktion meinerseits war nicht möglich. Meine Festplatte war wie leer gefegt. Mein autistisches Hirn war auf so eine spontane und tief treffende Frage kein Stück vorbereitet. Hinterher ratterte es. Wieso denkt die Person, dass ich „Schuld“ daran bin, dass wir kein Kind haben. Wieso geht sie davon aus, dass ich keine Kinder will, Henrik aber schon. Diese Frage war so übergriffig, da ist es nicht mal relevant ob ich Kinder möchte oder nicht.
Seit diesem Tag hielt ich die Präsenz von kleinen Kindern nur noch schlechter aus. Babys zu sehen oder Schwangerschaftsverkündungen zu erleben, machte mich manchmal richtig wütend, to be honest.
Die Schmerzen wurden unerträglich
Spulen wir mal in das Jahr 2021. Genauer zum April 2021. Meine gesundheitlichen Beschwerden waren noch nie so schlimm wie zu der Zeit. Ich hatte meinen ersten Quaddelschub und das gleich über 1 1/2 Monate am Stück. Ich vertrug nicht mehr alles an Essen. Der Endo-Belly und die Blasenkrämpfe waren unerträglich.
Im April brach ich dann mit enormen Unterleibsschmerzen zusammen. Ich hatte meine Menstruation bekommen. Kein Schmerzmittel half. Selbst mein TENS-Gerät konnte nicht mehr viel ausrichten. Henrik war kurz davor den Krankenwagen zu rufen, aber stattdessen konnte ich als Notfall zur Vertretung meiner Gynäkologin gehen. Henrik schleppte mich da irgendwie bis vor die Tür, aber aufgrund der Corona-Maßnahmen musste ich alleine in die Praxis. Ich habe keine Ahnung wie ich diesen Weg bis da hin überhaupt bewältigt habe.
In der Praxis weinte ich durchgehend vor Schmerzen und versuchte irgendwie gerade Sätze heraus zu bekommen. Die Vertretungsärztin (also meine Gynäkologin Nummer 4 die ich auf Menstruationsschmerzen ansprach) stellte mir erstmal die richtigen Fragen. Zu meinen Schmerzen und zu anderen Symptomen. In der Akte sah sie, dass ich einen unerfüllten Kinderwunsch hatte, aber sie wollte vorerst nur wissen, ob das noch aktuell ist.
Es ist Ihre Psyche
Sie bat mich zum vaginalen Ultraschall und entdeckte ganz schnell eine Zyste am rechten Eierstock. Sie zeigte sie mir. Und es ergab alles so Sinn. Ich konnte die Zyste damals schon manchmal spüren, weil sie hin und wieder zwickte und einseitige Schmerzen bereitete.
Mir war sofort klar, dass das der Auslöser meiner starken Schmerzen ist und bestimmt auch andere Beschwerden aus letzter Zeit damit zusammen hingen. Die Ärztin schaute mich mitleidig an. Und sagte dann allen Ernstes:
„Sie sind sehr traurig, weil sie wieder nicht schwanger geworden sind oder? Die Schmerzen sind bestimmt durch ihre Psyche so stark.“
Es gibt so Sätze die brennen sich für immer in das Gehirn ein. Dieser war einer davon. Wieder konnte ich nicht so reagieren wie ich eigentlich wollte, denn ich stand immer noch unter Schmerzen und ich war alles Andere als auf diese Situation und diese Bemerkungen vorbereitet.
Also… zusammengefasst: Sie wusste, wie stark meine Schmerzen sind. Sie wusste, dass seit 3 1/2 Jahren ein unerfüllter Kinderwunsch bestand und sie sah die Zyste klar und deutlich auf ihrem Monitor. Aber es ist natürlich nur meine psychische Verfassung. Geweint habe ich dann wahrscheinlich, weil ich einfach hysterisch bin. (/Ironie)
Ich fand mich also wieder mit der Situation ab.
Endo – ja!
Im Juni 2021 hatte ich allerdings meine erste normale Vorsorgeuntersuchung bei meiner neuen eigentlichen Gynäkologin, die mich bereits bei den Fehlgeburten betreute. Diese Frau hat mein Leben komplett verändert.
Sie hatte direkt nach meinen Beschwerden gefragt, weil sie in der Akte das von der Zyste gelesen hatte. Sie hörte sich alles an was ich zu sagen hatte. Sie stellte genau die richtigen Fragen. Sie wandte die Schmerzscala an. Und sie untersuchte die Zyste im vaginalen Ultraschall nochmal ganz genau.
Sie bat mich darum, dass wir uns jetzt nochmal zusammen hinsetzen und sprechen.
„Frau Erbse, haben Sie schon mal etwas von Endometriose gehört?“
Dieses Mal weinte ich vor Freude!
Ich habe eine chronische Erkrankung. Ich habe mich nicht all die 21 Jahre lang nur „angestellt“. Ich habe eine Schokoladen-Zyste am rechten Eierstock. Und sie hat das sofort erkannt. Was für eine hervorragende, grandiose, gescheite Ärztin, dachte ich! Und in meiner Überschwänglichkeit habe ich ihr direkt gesagt, dass ich ihr unendlich dankbar bin und sie toll ist.
Stracciatella, Engel und irgendwas mit Hühnern
Dann ging alles ganz schnell. Am 05. Juli 2021 hatte ich meine Bauchspiegelung zur Diagnosesicherung. Dazu wurde noch eine Gebärmutterspiegelung und eine Eileiterdurchlässigkeitsprüfung gemacht.
Das war meine erste Operation überhaupt. Dementsprechend war ich sehr nervös und ängstlich. Viele Tage zuvor schaute ich mir alles an, was ich über Bauchspiegelungen und Narkosen finden konnte, um Bescheid zu wissen und mich damit zu beruhigen.
Die Operation lief ambulant in einer gynäkologischen Tagesklinik ab. Alle waren sehr nett zu mir und insgesamt ging alles super schnell. Ich weiß noch, dass ich dachte, dass es im OP-Saal wie im Schwimmbad riecht, als ich auf den Stuhl klettern musste.
Mein Blick fiel auf die Decke über mir. Es war ein riesiges Gemälde mit Engeln im Himmel zu sehen. Mit dem Gedanken, dass ich das sehr makaber und dadurch mega lustig finde, schlief ich ein.
Als ich aufwachte, wackelte ich mit zwei fachmedizinischen Pflegenden links und rechts in Richtung des Aufwachraums. Ich war sehr schnell fit, aber auch ein bisschen high von den Medikamenten.
Im Aufwachraum war noch eine andere Patientin mit der ich mich unterhielt. Normalerweise bin ich zurückhaltender, aber ich war wohl wirklich high. Sie erzählte mir davon, dass sie eine Vermietung für Hühner hat. Miethuhn oder so. Draußen für den eigenen Garten.
Und dann kam auch schon die Ärztin, die mich operierte, ins Zimmer.
Sie erklärte mir den Befund und händigte den OP-Bericht aus. Auch Fotos konnte ich sehen. Die dunklen Punkte überall in meinem Inneren sahen für mich aus wie Stracciatella-Eis. Die Endometriose sitzt nicht nur als Zyste am Eierstock, sondern auch auf der Blase, auf der Gebärmutter und im Douglas-Raum zwischen Gebärmutter und Darm. Das ist zumindest der Stand von damals. Wie es heute in mir aussieht, weiß ich nicht genau.
Zuhause plagten mich Übelkeit und Schulterschmerzen von der Operation. Ich blutete reichlich. Und hatte nicht schlecht gestaunt, als ich blauen Urin absetzte, was aufgrund der Eileiterdurchlässigkeitsprüfung geschah. Aber ich war so erleichtert und glücklich! Endometriose. Es ist Endometriose!
Zurück zur Pille
Als ich die OP-Nachsorge bei meiner Gynäkologin hatte, besprachen wir das weitere Vorgehen. Die Ärztin in der Tagesklinik schlug vor, dass ich eine große Operation im Krankenhaus anstreben sollte, damit alles entfernt werden kann. Doch meine Gynäkologin wollte es erstmal auf schonendere Weise versuchen und das fühlte sich für mich ganz richtig an. Ich bekam von ihr Dienogest (ein Gestagen) aufgeschrieben, das ich jeden Tag genau zur selben Uhrzeit einnehmen sollte. Es hält den Östrogen-Spiegel niedrig, da es dem Körper eine Schwangerschaft vorgaukelt. Ich bekam also meine Menstruation gar nicht mehr und musste mich „nur noch“ mit den anderen Beschwerden, die sich derweil chronifiziert hatten, rumschlagen.
Doch da war ja der Kinderwunsch
Eine ganze Weile nahm ich Dienogest bis Henrik und ich uns Anfang 2022 bei einer Kinderwunsch-Klinik anmeldeten. Denn da war ja noch was. Wir wollten es zumindest versuchen. Während der Behandlungen wurde regelmäßig meine Schokoladen-Zyste geschallt, weswegen ich sehen konnte, dass sie durch die Dienogest-Therapie tatsächlich um ~1 cm kleiner geschrumpft ist. Das war sehr beruhigend zu wissen und gibt mir Vertrauen, dass meine Endometriose auf Hormonbehandlungen anspringt. Sie ist zwar nicht heilbar, aber zumindest zum Teil behandelbar.
Ja. Die Kinderwunsch-Behandlung. Vielleicht bin ich einfach nicht für solche Dinge gemacht. Es war unglaublicher Stress für mich. Obwohl wir gerade mal die Standardbehandlung ausschöpften. Also mit Medikamenten „nachhalfen“. Ich nahm jeden Tag mehrere Tabletten, Spritzen, Zäpfchen… im Kühlschrank war ein eigenes Fach nur für diese Medikamente. Fast wöchentlich musste ich über viele Monate in die Klinik. Meine Endometriose-Beschwerden wurden immer schlimmer und vielfältiger.
Bis ich mich im Dezember 2022 morgens vor dem nächsten Klinik-Termin zu Henrik drehte, weinte, und sagte, dass ich nicht mehr kann.
Die Perspektive ändern
Jetzt ist Ende September 2023. Und wir sind und bleiben kinderlos.
Ich hatte Sorge, dass ich diesen bewussten Schritt mental nicht gut verkraften würde. Aber es hat sich nun mehr in das Gegenteil umgeschlagen. Ich sehe es rational. Und ich finde unser Leben ohne Kinder (und dafür nach wie vor mit unseren Katzenkindern) einfach wundervoll. Ich führe mir regelmäßig vor Augen was für Privilegien wir haben, weil wir kinderlos sind.
Wir haben jede Menge Zeit für uns. Für das was wir lieben und gerne tun. Es ist gut so wie es gekommen ist.
Nur den schweren Weg bis zur Diagnose wäre ich lieber nicht gegangen. Die über so lange Zeit unerkannte Erkrankung hat mich unfruchtbar und sehr krank gemacht. Heute bin ich schwerbehindert.
Ich habe so viel Wut in mir. Besonders gerade in diesem Moment, wo ich mir das alles von der Seele schrieb. Mit dem Wissen im Hinterkopf, dass es so viele andere Menschen gibt, die noch nichts von ihrer Erkrankung ahnen, die nicht ernst genommen werden, immer kränker werden und trotzdem von Ärzt*innen und anderen Menschen unglaubliche Sprüche reingedrückt bekommen.
Falls du vermutest auch an Endometriose erkrankt zu sein, versuche all deine Kraft zusammen zu nehmen und hartnäckig zu bleiben, damit du ordentlich untersucht wirst und darauffolgend angemessene Hilfe bekommen kannst.
Ich wünsche dir dabei alles Gute.
Danke für’s Lesen.
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